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Die psychologischen Auswirkungen der Herkunftsangabe in Nachrichtenmeldungen


In der heutigen Medienlandschaft wird Herkunft von Personen zunehmend hervorgehoben – sei es in Bezug auf Herkunftsländer, ethnische Zugehörigkeit oder soziale Herkunft. Nachrichtenagenturen und Medien setzen diesen Fokus gezielt ein, um bestimmte Narrative zu formen. Doch was passiert mit dem Leser, wenn er immer wieder mit der Herkunft von Menschen konfrontiert wird, insbesondere in Bezug auf negative oder polarisierende Themen? Welche psychologischen Effekte werden dadurch ausgelöst, und was bedeutet das für unser Denken und unsere Wahrnehmung von anderen?

Die Rolle der Herkunft in den Medien

Nachrichtenagenturen wissen, dass die Herkunft einer Person oder Gruppe von Menschen eine starke emotionale Reaktion hervorrufen kann. Schlagzeilen, die die Herkunft von Täter*innen oder Opfern in den Vordergrund stellen, erhalten häufiger mehr Aufmerksamkeit und Klicks. Diese Praxis wird oft bewusst eingesetzt, um eine spezifische Reaktion auszulösen – sei es Empörung, Angst oder Bestätigung der eigenen Sichtweise.

Das Hervorheben von Herkunft – insbesondere bei Themen wie Kriminalität, Arbeitsmarkt oder sozialen Problemen – hat nicht nur Einfluss auf das Bild, das wir von anderen Menschen haben, sondern auch darauf, wie wir uns selbst sehen. Wenn die Herkunft eines Menschen wiederholt in einem bestimmten Kontext genannt wird, zementiert dies Stereotype und fördert eine Kultur der Abgrenzung.

Der „Ich-hatte-doch-Recht“-Gedanke

Ein psychologischer Effekt, der durch das Hervorheben von Herkunft entsteht, ist der „Ich-hatte-doch-recht“-Gedanke. Wenn Menschen immer wieder Nachrichten konsumieren, die ihre bestehenden Überzeugungen oder Vorurteile bestätigen – etwa dass Migrant*innen oder Menschen aus bestimmten Herkunftsländern mehr kriminelle Taten begehen oder die Arbeitsmärkte belasten – fühlen sie sich in ihren Ansichten bestärkt. Das Problem dabei ist, dass diese Sichtweisen oft oberflächlich sind und auf Vorurteilen basieren, die durch den Fokus auf Herkunft weiter verfestigt werden.

Nachrichtenagenturen nutzen diese Bestätigungseffekte, um eine stärkere emotionale Bindung an ihre Berichterstattung zu erzeugen. Der Leser glaubt, dass seine Wahrnehmung der Welt die „richtige“ ist, und es entsteht das Gefühl, „es immer schon gewusst zu haben“. Diese Bestätigung sorgt dafür, dass sich die eigenen Überzeugungen weiter verhärten, anstatt hinterfragt zu werden.

Abgrenzung und das Bedürfnis, sich besser zu fühlen

Das Hervorheben von Herkunft fördert das Bedürfnis nach Abgrenzung und Hierarchisierung. In vielen Fällen wird durch die Medien eine klare Unterscheidung zwischen „uns“ und „den anderen“ aufgebaut – sei es durch den Begriff „Migranten“, „Flüchtlinge“ oder „Ausländer“. Indem diese Herkunft als zentrales Merkmal einer Person dargestellt wird, wird das Gefühl erzeugt, dass „wir“ als Gesellschaft etwas Besseres sind.

Psychologisch gesehen, sorgt dies dafür, dass sich Individuen einer vermeintlich „besseren“ Gruppe zugehörig fühlen. Man glaubt, sich von den „anderen“ abzuheben, was das eigene Selbstwertgefühl kurzfristig stärkt. Doch diese Form der Abgrenzung ist trügerisch. Statt in einer offenen, integrativen Gesellschaft zu leben, verstärken solche Narrative die Polarisierung. Wer sich durch die Herkunft anderer Menschen besser fühlt, übersieht, dass dies langfristig zu einem schlechteren Miteinander führt. Das Ergebnis ist eine Gesellschaft, die nicht offener, sondern enger wird.

Patriarchalische Strukturen durch Herkunftsbetonung

Das ständige Hervorheben von Herkunft ist nicht nur eine Form der Abgrenzung, sondern auch eine Verstärkung patriarchalischer Strukturen. In patriarchalischen Gesellschaften, die durch Hierarchien und Machtverhältnisse geprägt sind, wird das Zugehörigkeitsgefühl zu bestimmten Gruppen als eine Form von Überlegenheit genutzt. Wenn Medien beispielsweise wiederholt berichten, dass eine bestimmte ethnische Gruppe in negativer Weise auffällt, wird eine „Machtordnung“ suggeriert, die Menschen mit dieser Herkunft als weniger wert oder weniger fähig darstellt.

Das Problem liegt darin, dass durch die Fokussierung auf Herkunft bestehende Ungleichheiten verstärkt werden. Der Eindruck entsteht, dass Menschen aus bestimmten Herkunftsländern oder sozialen Milieus in eine „untere“ Kategorie fallen, was patriarchalische Denkstrukturen festigt. Diese Sichtweisen entmenschlichen und marginalisieren bestimmte Gruppen und tragen dazu bei, dass sich die Gesellschaft in feste, unüberbrückbare Kategorien einteilt.

Die Psychologie hinter den Kommentaren

Ein weiterer Aspekt, der den psychologischen Effekt der Herkunftsangabe verstärkt, ist die Kommentarfunktion, die in vielen Online-Medien angeboten wird. Schlagzeilen, die auf Herkunft abzielen, fördern polarisierte Diskussionen in den Kommentaren. Nutzer*innen, die die gleiche Herkunft wie in der Nachricht genannte Personen haben, können sich empört oder gerechtfertigt fühlen. Auf der anderen Seite fühlen sich diejenigen, die sich von dieser Herkunft distanzieren wollen, in ihren Überzeugungen bestärkt.

Die Kommentare erzeugen eine Art Echokammer, in der die eigene Meinung ständig wiederholt und verstärkt wird. So entsteht eine Diskrepanz zwischen verschiedenen Gruppen, die sich immer weiter voneinander entfernen und zunehmend in ihren Überzeugungen gefangen sind. Medienagenturen wissen um diesen Effekt und nutzen ihn gezielt, um Interaktionen und somit auch Klicks zu steigern. Das wirtschaftliche Ziel dahinter ist klar: Mehr Reaktionen bedeuten mehr Werbung, mehr Reichweite und mehr Gewinn.

Der Klick-Algorithmus und die Herkunftsfrage

Nachrichtenagenturen haben längst erkannt, dass bestimmte Themen besonders viel Aufmerksamkeit erregen – und Herkunft ist ein zentraler Bestandteil dieses Mechanismus. Schlagzeilen, die die Herkunft von Personen betonen, insbesondere in Verbindung mit Problemen wie Arbeitslosigkeit, Kriminalität oder sozialen Spannungen, erzielen weitaus höhere Klickzahlen. Diese Themen lösen starke emotionale Reaktionen aus, die den Leser dazu bringen, mehr zu klicken, mehr zu teilen und sich intensiver mit den Artikeln auseinanderzusetzen.

Doch dieser Fokus auf Herkunft ist nicht nur ein Geschäftsmodell. Er hat tiefgreifende Auswirkungen auf das gesellschaftliche Klima. Medien, die Herkunft als zentrales Thema aufgreifen, tragen dazu bei, dass Menschen sich weniger als Teil einer gemeinsamen Gesellschaft fühlen, sondern eher als Mitglieder von separaten, oft gegeneinander ausgespielten Gruppen.

Fazit: Die Verantwortung der Medien

Die ständige Betonung von Herkunft in den Nachrichten hat weitreichende psychologische Auswirkungen. Sie verstärkt nicht nur Stereotype, sondern fördert auch Abgrenzung und die Entstehung von Hierarchien. Wer sich durch diese Herkunftsangabe als „besser“ empfindet, übersieht, dass diese Denkweise langfristig schädlich für den sozialen Zusammenhalt ist.

Medienagenturen haben die Macht, Narrative zu schaffen, die unser Denken beeinflussen. Es liegt in ihrer Verantwortung, einen ausgewogeneren und differenzierteren Umgang mit Herkunft zu finden und die Menschen nicht nur durch ihre Herkunft, sondern vor allem durch ihre Taten und Charaktere zu beurteilen. Nur so können wir eine Gesellschaft fördern, die nicht von Abgrenzung, sondern von Inklusion und Verständnis geprägt ist.

 
 
 

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